„pur Styria - Der Dorfladen“ öffnet werktags um 08:30 Uhr. Weil der Laden ein beliebtes Frühstückslokal ist, haben Eli und ich schon um 08:15 einen Tisch besetzt. Kaffee, Saft, Brötchen, Eier, Wurst, Käse, Salat, Butter und Marmelade - alles, was ein Pilot am Morgen braucht, wird mit Herzlichkeit serviert. Anders als im letzten Jahr ist heuer mein Bauch in Ordnung, und so muss ich dieses Mal nicht die Speisen und Getränke Eli überlassen. Die Sonne scheint, es weht nur ein laues Lüftchen, ich freue mich auf das Flugabenteuer des Tages.
Auf dem Weg zum Bischling holen wir Heli am Bahnhof in
Pfarrwerfen ab; er ist in Kuchl bei Golling zu Hause und
kommt von dort mit der Bahn. Eli hat vorgeschlagen, von
heute auf morgen in Helis Haus zu übernachten. Das Angebot
habe ich natürlich gern angenommen.
Wochenenden mit guten Flugbedingungen waren in diesem Jahr rar; daher herrscht heute am Bischling munteres Treiben. Wir kehren zunächst auf dem Gipfel im „Alpengasthaus Bischlinghöhe“ ein, bestellen uns Getränke und beobachten den Flugbetrieb.
Gegen halb zwölf beginnt es durchzuziehen. Die ersten Schirme steigen. Der Bischling ist ein fantastisch guter Ausgangspunkt für einen Streckenflug. Je nach Windrichtung kann nach Osten, Süden und Westen auf einem Wiesengelände gestartet werden. Manchmal geht es so wie heute in alle drei Richtungen gleichzeitig. Während die örtliche Flugschule auf dem Weststartplatz aktiv ist, begeben wir uns zum Oststartplatz.
Um zwölf Uhr sind wir in der Luft, kurbeln in wenigen Minuten an die Basis und fliegen im Pulk zu dritt nach Osten ab. Meine Güte, wie oft bin ich die Route Bischling - Frommerkogel - Gerzkopf - Tannkoppen - Rossbrand - Ritisberg in die Ramsau oder weiter über den Kulm nach Schladming schon geflogen! Und es war jedes Mal ein Genuss. Auch heute schlägt mein Herz höher ...
Überm Frommerkogel und auf der Querung zum Gerzkopf schießt Heli wunderschöne Fotos:




Den Wolken folgend, korrigiert Eli über dem Lammertal die Flugrichtung hin zum Reitkoppen, dem südwestlichen Ausläufer des Gerzkopf, auf dem der „Kleine Sender“ die Paragleiter grüßt. Dort steht relativ zuverlässig ein Bart, den wir auch heute nutzen können, um genügend Höhe für den Weiterflug nach Osten zu tanken.
Ich wundere mich darüber, dass Eli und Heli nicht auf den Rossbrand, sondern, über der Mitte des Fritztales fliegend, direkt auf Filzmoos zuhalten. „Überm Tal standen ein paar kleine Wolken“, wird mir Eli später ihre Entscheidung erklären. Ich sehe diese nicht und verliere auch dort, wo die beiden eindrehten, bei zwei, drei Suchkreisen an Höhe.
Es war schon immer klar, dass die Führung durch Eli nicht darin besteht, ihr in ihrem Kondensstreifen blind zu folgen. Ich muss fortlaufend Entscheidungen treffen. Häufig gelingen diese zu meinem Vorteil, manchmal gehen sie auch daneben. In diesem Moment des Fluges tue ich das Richtige. Ich sehe die Wolken, die auf der Südseite des Rossbrand stehen und schätze, dass ich noch genügend Höhe habe, um den Bergrücken locker zu überqueren. Also biege ich kurz entschlossen im rechten Winkel nach Süden ab.
Das Manöver kostet noch einmal Arbeitshöhe, aber Eli bestätigt über Funk: „Der Bart steht vermutlich noch weiter südlich.“ Und richtig. Bald geht es wieder zügig hinauf an die Basis.
Mit dem erarbeiteten Polster fliegen wir nun nach Westen südlich an Eben vorbei auf das Hochgründeck zu. Über den Südhängen des Tals, das von Altenmarkt nach Wagrain führt, finden wir wieder nutzbare Thermik. Allerdings sind wir dort nicht allein. Von Zell am See her sind mehrere Segelflieger unterwegs. Einer kreist auf gleicher Höhe in der Thermik, in der ich kurbele. Prompt kommen wir uns ins Gehege. Da ich mich auf den Segler konzentriere, rutsche ich aus dem Bart heraus und kreise danach gefühlt endlos lange in schwachem Steigen. Erst als ich mich auf eine Suchschleife nach Westen begebe, werde ich wieder fündig.
Eli hat an der Basis auf mich gewartet. Gemeinsam queren wir nach Süden zum Grießenkareck. Bei einem Flug vom Fulseck mit Ziel Schladming bin ich vor ein paar Jahren an diesem Berg hängen geblieben. Tatsächlich gilt er als thermisch schwierig. Aber heute geht das Grießenkareck wunderbar. Wir nehmen ihn als Ausgangspunkt, um über den Ennskraxn bis zum Hauptkamm der Radstädter Tauern vorzustoßen. Etwa drei Kilometer vor dem 2654 m hohen Faulkogel, der aus dem Massiv herausragt, durch das der Tauerntunnel verläuft, kehren wir um.
Auf dem Rückflug nach Norden cruisen wir über die östlichen
Ausläufer des Grafenbergs. Ich habe für einen Moment die
geografische Orientierung verloren und frage mich, ob Eli, vor
mir deutlicher tiefer segelnd, am Hochgründeck vorbei nach
Hüttau zur Autobahn fliegen will.
Aber dann findet erst sie und dann auch ich am Christkopf einen Bart, den wir auskurbeln. In der Folge kommen wir mit hinreichender Überhöhung über dem Hochgründeck an. Zwischen Hochgründeck und Breitspitz zieht Eli nur ein paar Kreise, weil sie weiß, dass es von dort im Gleitflug nach Werfenweng ausgeht. Ich weiß das nicht und drehe weiter auf, um dann über die Autobahn hinweg zum Donneregg zu queren. Dessen Südseite polstert mich gut, und ich gleite über den Steinbergriedel hinab in den Talkessel von Zaglau, in dem sich auch die Landewiese des Bischlings befindet. Da ich nicht hinter Eli her westlich um den Steinbergriedel herumfliege, gerate ich aus ihrem Blickfeld. Sie sorgt sich um meinen Verbleib und soart noch einmal am Wiesegg auf, um nach dem Rechten zu schauen. Als sie sieht, dass ich den Landeplatz auf anderem Weg erreiche, malt sie ein paar Wingover in die Luft und kommt zu mir herunter auf die Landewiese.
Heli hat den Flug noch um eine Schleife zum Tennengebirge erweitert, gesellt sich aber auch bald zu uns. Wir freuen uns über den absolvierten schönen Flug durch das Salzburger Land. Hungrig, wie wir sind, fahren wir zügig nach Kuchl ins Eichholzer Heim. Dort bereiten wir gemeinsam eine leckere Gemüsepfanne mit Erzeugnissen aus Helis Garten zu und lassen den schönen Tag in launiger Runde ausklingen.
