
Am Pfingstwochenende legte ich auf dem Teppich in meinem Arbeitszimmer alles bereit, was für eine einwöchige Flugsafari erforderlich ist. Mit meinem schwäbischen Freund Jürgen Kraus aus Gingen hatte ich im vergangenen Winter vereinbart, in der ersten frühsommerlichen Schönwetterperiode in den Alpen auf Tour zu gehen.
Als der Juli bereits angebrochen war, lagen meine Sachen immer noch unverpackt an der gleichen Stelle. Das Wetter wollte sich nicht beruhigen. Der Jet-Stream bugsierte ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen auf allen erdenklichen Zugbahnen über Europa hinweg - und so blieb mir Woche um Woche nur der sehnsüchtige Blick auf meine Ausrüstung.
Mit Eli traf ich auch eine Verabredung. Wir beide wollen im zeitlichen Kontakt mit der Flugwoche der „Glorreichen Sieben“, zu denen auch ich gehöre, fünf oder sechs Tage auf Strecke gehen. Da die G7-Piloten bereits im vergangenen Jahr die Woche vom 3. bis zum 10. August fixierten, wählte Eli für unsere Safari die davor liegende KW 31 aus.
Mitte Juli meldete sie mir, sie habe das Angebot aus Hollywood erhalten, mit Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) im Zillertal eine Action-Szene zu drehen. Termin: 1. bis 3. August. Ihrer Bitte um Vorverlegung unserer Safari auf die letzten Julitage entsprach ich natürlich gern. Aber dadurch schloss sich das Zeitfenster für die Tour mit Jürgen.
Also rief ich Jürgen sofort an, um ihm zu sagen: „Jetzt oder nie!“. Wir einigten uns darauf, am folgenden Wochenende - Wetter hin, Wetter her - in die Alpen zu starten. Einen Tag später, am Donnerstag, dem 18. Juli, fragte Armin an, ob ich nicht Lust hätte, am Sonntag im Bayrischen Wald mit ihm fliegen zu gehen. Es läge doch quasi auf dem Weg in die Alpen. Und die Flugbedingungen würden laut Vorhersage richtig gut. Ich leitete die Meldung an Jürgen weiter, und da dieser immer bereit ist, mit mir Pferde zu stehlen, trafen wir uns Samstagabend mit Armin zu Bier & Burger in Regensburg und packten am Sonntag zu dritt den ersten schönen Streckenflug (Hausstein - Bernried) in unseren Flugsack.

Am Montag fuhren wir endlich in die Alpen. Groß war die Auswahl der Zielorte wegen der noch immer ungünstigen Wetterbedingungen nicht. Im nördlichen Alpenraum hatte sich eine Staulage ausgebildet, im südliche Alpenraum herrschte verbreitet Nordföhn. Trotzdem entschieden wir uns für Bruneck als erstes Quartier. Mit der gebotenen Vorsicht soarten wir noch am Montagnachmittag im kräftigen Nordwind am Kronplatz.
Sobald es besser würde, wollten wir uns auf der Route Gadertal - Fassatal nach Löweneck (Levico Terme) vorarbeiten, um von dort im Valsugana (Brentatal) vielleicht bis Belluno zu kommen. Es wurde aber nicht besser. Nachdem der Nordföhn zusammengefallen war, pustete weiterhin ein kräftiger Nordwestwind die Thermiken auseinander, sodass wir von Tag zu Tag die Zimmerbelegung in unserer netten Pension („Garni Schorneck“) in Reischach verlängerten und am Kronplatz kleine Flügchen buken.

Am Donnerstag, dem 25. Juli, stieg die Basis endlich etwas
höher. Wir fassten uns ein Herz und flogen trotz des immer
noch strammen Westwindes ab nach Süden. Ohne Gepäck mit
Zielpunkt Corvara. Der Flug war ein Knaller.
Der erste Talsprung führte uns auf der gewählten Route zum
Piz da Peres. Wir kamen unter Gipfelniveau, aber immer noch
hoch genug an, um schnell einen Bart zu finden. Leider riss
dieser nach ein paar Umdrehungen plötzlich ab. Jürgen flog
nach Süden ab, und ich ging in einen Tauchgang, um mich wieder
zurück auf die Sonnenseite des Berges vorzuarbeiten. Dort
wurden mir vom Lee einmal kräftig die Ohren gewaschen, bevor
es mich in die notwendige Abflughöhe beförderte.
Nach der nächsten Querung war am Monte Sella kein Heber zu spüren. Auch Jürgen war geradewegs weiter über das Rautal (Ennebergtal) zum Piz de Pares weitergeflogen. So wie ich es im Flug beobachten konnte, kam er unterhalb des Grates an und folgte dann notgedrungen im Konturflug dem Hang nach Nordwesten gen St. Vigil.
Ich selbst konnte am Grat des Pares die nach dem Talsprung verbliebene Arbeitshöhe nutzen, um einen „blauen“ Bart zu finden, der mich bis knapp unter die Dreitausendermarke hob. Genug Polster, um den Heiligkreuzkofel anzugreifen. Seinen Gipfel passierte ich im Steigflug, wohlweislich respektvollen Abstand haltend, denn der Westwind war und blieb den ganzen Tag über stramm.
Vom Kreuzkofel aus segelte ich über die Ortschaft La Villa hinweg zum Piz La Ila, den ich zweihundert Meter oberhalb seines Gipfels erreichte. „Das reicht nun dicke bis Corvara“ , dachte ich und wählte unkluger Weise den direkten Anflug über dem Gadertal, das südlich von La Villa das Gelände um den Piz La Ila vom Sassongher trennt. Ungünstigerweise bildet das obere Gadertal aber ein Ventil, durch das die Luft, die vom Westwind über das Grödnerjoch in den Kessel von Corvara gepresst wird, nach Norden entweicht. Junge, Junge, welch ein Sinkflug! Mit einstelligem Vortrieb über Grund erreichte ich nur knapp den Landeplatz von Corvara - eine Landevolte erübrigte sich.
Während ich noch versonnen zurück zum Kreuzkofel schaute, gesellte sich Roberto, einer der beiden in Corvara tätigen professionellen Tandempiloten, zu mir. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Als er auf seine Frage hin von mir erfuhr, dass ich am Kronplatz gestartet war, geriet er etwas aus dem Häuschen. Wegen des starken Nordwestwindes hatten er und sein Partner Alex nach einem Flug in der Frühe die weiteren sechs für den Tag gebuchten Tandemflüge abgesagt, und nun kam ich einfach so von Bruneck dahergegondelt.
Ich erzählte Roberto, dass ich zusammen mit einem Kumpel am
Kronplatz gestartet sei, dieser aber vermutlich vom Piz de
Pares nach St. Vigil abgleiten musste. Ich drehte mich um und
fuchtelte in der Luft herum, um meine Erzählung zu
illustrieren. Aber dann traute ich meinen Augen nicht. Vom
Himmel hoch da kam er her! Bei St. Vigil einen „Low Save“
hingelegt, über dem Hügel „Cendles“ westlich der Ortschaft
Badia bis zur Wolke hochgekurbelt und dann nach Corvara
abgeglitten. Starke Leistung!

Heute Vormittag, am Freitag, wollten wir nach Sillian fliegen. Das Vorhaben wurde vom Winde verweht. Es wurde ein Flügli am Kronplatz. Anschließend ist Jürgen zurück ins Schwabenland gefahren, und ich zu Eli in die Ramsau. Als ich mein Auto vor ihrem Haus abstelle, steht sie bereits in der Haustür. Wir begeben uns zum Abendessen in „Alfredos Rostaria“ und schmieden Pläne für die kommenden Tage.
Der großer Unsicherheitsfaktor ist die weitere Entwicklung des instabilen Wetters. Morgen soll es im Salzburger Land richtig schön werden, aber übermorgen wird die nächste Front die Nordalpen überqueren. Wir beschließen daher, zunächst einmal vom Bischling aus einen Rundflug zu machen. Elis Lebensgefährte Helmut Eichholzer, in Pilotenkreisen „Heli“ genannt, wird uns begleiten. Morgen Abend wollen wir dann über die weitere Ausgestaltung der Flugsafari neu beraten.